Am Mittwoch tagte der Kreistag des Landkreises Zwickau das letzte Mal in dieser Wahlperiode. Nach der Kreistagswahl am 9. Juni wird das Gremium neu zusammentreten. Grund genug für „Freie Wähler“-Fraktionsvorsitzende Dorothee Obst und „Freie Wähler“-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Gerber, auf die vergangenen fünf Jahre zurückzublicken.

Mit 15 Mitgliedern haben die „Freien Wähler“ die zweitgrößte Fraktion im Kreistag gestellt. Was konnten diese Mitglieder erreichen?

 Bernd Gerber: Als gewählte Mitglieder des Kreistages sind wir die Vertretung der Bürger des Landkreises. In seiner Gesamtheit legt der Kreistag im politischen Diskurs die Grundsätze für die Verwaltung des Landkreises fest und entscheidet über alle Angelegenheiten des Landkreises, soweit nicht der Landrat dafür per Gesetz zuständig ist. Wir sind dabei nicht nur zu den Sitzungen des Kreistages, sondern auch in dessen verschiedenen Ausschüssen aktiv. In unserer Arbeit war es uns wichtig, immer wieder die Themen der Bürgerinnen und Bürger auf die einzelnen Tagesordnungen zu setzen. Da gab es viele kleine und große Erfolge, die wir feiern konnten, besonders auch im Bereich der Jugendarbeit. Unser größter Erfolg war aber, dass die Kreisumlage nicht erhöht worden ist.

Dorothee Obst: Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Mitgliedern der Kreistagsfraktion für ihre Arbeit zu danken. Es ist ja nicht allein die Tätigkeit im Kreistag selbst, die von den Mitgliedern geschultert werden muss. Wir nehmen gleichzeitig – wie schon angesprochen – auch an Ausschuss- und Aufsichtsratssitzungen teil. Was viele Menschen nicht wissen: Es ist ein Ehrenamt, für das es zwar eine Aufwandsentschädigung gibt, die aber natürlich in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand steht. Denn vor einer Sitzung müssen sich die Mitglieder in die Unterlagen einlesen, zum Sachverhalt ein Stimmungsbild einholen und bei Änderungsanträgen diese ausarbeiten und argumentativ gut begründen.

Sie sprachen vom Stimmungsbild, das sie einholen. Wie genau passiert das?

Dorothee Obst: Wir „Freien Wähler“ sind mehr als nur viele Einzelinteressen, wie es ein anderer Fraktionschef einmal lapidar formulierte. Aber es ist richtig: Wir sind keine Partei. Wir sind keine homogene Gruppe, in der sich der eine oder andere im Interesse der Parteidisziplin mehr oder weniger verbiegen muss. Wir sind unabhängig von Weisungen von Dritten. Wir können unterschiedliche Standpunkte auch offen besprechen. Das ist für uns ein Zeichen von Transparenz, die wir ja immer wieder auch vom Landrat und der Landkreisverwaltung fordern. Unsere Unabhängigkeit als Kreistagsfraktion hat für uns den großen Vorteil, dass wir wirklich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort in den Fokus nehmen und Entscheidungen zu ihrem Wohl treffen können. Unser Antrieb ist stets die Sache.

Über das Wohl der Bürgerinnen und Bürger gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen…

Bernd Gerber: Das ist richtig und ich wünsche mir, dass der neue Kreistag sachlich streiten kann und Populisten in die Schranken verwiesen werden. Wenn am Ende des Tages derjenige das Sagen hat, der am lautesten schreit, dann sind wir wieder auf dem Weg in eine Diktatur, gegen die auch ich mich jahrelang in Werdau und Umgebung engagiert habe. Ich will unser politisches System keinesfalls mit dem der DDR vergleichen: Aber auch heute braucht es Mut, sich politisch zu engagieren.

Wenn Sie zurückblicken: Was war Ihr größter politischer Erfolg im Kreistag?

Dorothee Obst: Ganz klar die vorletzten Haushaltsverhandlungen. Wir wurden dafür gescholten, dass wir dem Plan des Landrates nicht folgen und die Kreisumlage nicht erhöhen wollten. Das hätte noch mehr Geld aus den Städten und Gemeinden Richtung Landkreis abgezweigt und die Handlungsfähigkeit der Kommunen vor Ort weiter beschnitten. Am Ende wurde die Kreisumlage auf unseren Antrag hin nicht erhöht. Das vom Landrat an die Wand gemalte Horrorszenario einer finanziellen Handlungsunfähigkeit der Landkreisverwaltung trat nicht ein. Das Gegenteil war der Fall: Der Landkreis hat sogar ein Plus erwirtschaftet und die Kommunen konnten mehr Ausgaben nach ihren eigenen Vorstellungen realisieren. Dieser Erfolg führte dazu, dass auch in den letzten Haushaltsverhandlungen der Hebesatz in einem geringeren Maß angehoben wurde, als von der Verwaltung ursprünglich geplant.

Und wenn Sie vorausschauen, wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den neuen Kreistag?

Bernd Gerber: Die wirtschaftlich schwierige Situation vieler Unternehmen führt leider dazu, dass den Städten und Gemeinden auch weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stehen. Damit fällt es diesen immer schwerer, die Kreisumlage zu bezahlen. Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte des Haushalts schon jetzt für Sozialleistungen verwendet werden, also nur mit weniger der Hälfte des Budgets auch wirklich gearbeitet werden kann. Dass das Geld fehlt, sieht jeder an den Straßen, deren Zustand auch im Landkreis immer schlimmer wird. Da muss mit dem neuen Kreistag dringend etwas passieren. Ich persönlich ärgere mich sehr darüber, dass es beim Radwegekonzept für den Landkreis nicht voranging. Fraktionsübergreifend waren wir uns einig, dass sich die Bedingungen für Fahrradfahrer im Landkreis verbessen müssen, passiert ist aber nur wenig.

Dorothee Obst: Der für den Landkreis immer enger werdende finanzielle Spielraum ist ein wichtiger Punkt, wobei ich der festen Überzeugung bin, dass die Verwaltung viel Geld einsparen würde, wenn sie sich endlich digitaler aufstellen würde. Es braucht sowohl in der Verwaltung selbst umfangreiche Schulungen der Mitarbeitenden, die ja selbst auch gern von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren wollen, als auch viel mehr Dienstleistungen, die den Bürgerinnen und Bürgern digital zur Verfügung stehen sollten. Auch in diesem Punkt sind viele andere Landkreise im Land weiter als wir.